Herzlich willkommen zum zweiten Teil meiner Blogserie „Warum wir schwere Gefühle, Überzeugungen und Verhaltensmuster nicht einfach „wegmachen“ können“.
Sollte der erste Teil meiner Serie irgendwie an dir vorbeigegangen ist, lade ich dich von Herzen ein, den zuerst zu lesen. Er enthält wichtige Hinweise zum Gesamthintergrund und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Thema „Ressourcen“. Dieses Thema sollten wir, meiner Meinung nach, beim Integrieren und Verarbeiten von Krisen und Mustern nicht auslassen und ich lege ihn dir daher sehr ans ❤️.
In diesem zweiten Teil möchte ich mit dir gemeinsam auf das Thema „Glaubenssätze“ schauen. Hast du Lust? Dann lass uns loslesen 😊.
Glaubenssätze und Glaubenssysteme
Glaubenssätze sind in den letzten Jahren in aller Munde. Aber was sind eigentlich Glaubenssätze und wo kommen sie her?
Ich finde den Begriff „Glaubenssystem“ in vielen Fällen treffender als das Wort „Glaubenssatz“. Denn wenn wir von diesen Sätzen gelenkt werden, dann ist es in der Regel weit mehr als ein Satz, den wir hören. Es ist vielmehr ein ganzes System, das wir mit verschiedenen Sinnen spüren und wahrnehmen.
Glaubenssysteme entstehen durch wiederkehrende Erfahrungen. Es sind also Prägungen, neuronale Verschaltungen, die sich zu unserer inneren Realität entwickeln. Dadurch, dass wir in der Folge unser Leben nach ihnen ausrichten, entwickeln sie sich dann auch zu unserer äußeren Realität.
Glaubenssysteme, die wir sehr früh und/oder unter traumatischen Bedingungen entwickeln, sind besonders rigide, starr und treu. Die traumabedingten Glaubenssysteme sind zudem nicht nur Glaubenssätze, sondern auch Überlebensstrategien.
Glaubenssysteme können im Grunde unser Leben lang entstehen, häufig entstehen sie jedoch in unserer Kindheit. Sehr häufig sind sie uns nicht bewusst und lenken unser Leben daher oft verdeckt und unbemerkt.
Als Kinder sind wir naturgemäß abhängig von unseren Bindungspersonen und daher hochgradig anpassungsfähig.
Wenn wir nun durch bestimmte Umstände bemerken und erfahren, dass es sicherer ist, unsere vorhandenen Bedürfnisse zurückzustellen und brav zu sein, dann kann daraus eine innere Überzeugung erwachsen, die zum Beispiel heißt: „Ich bin nicht gut, so wie ich bin“ oder auch „Meine Bedürfnisse sind unerwünscht“ und ähnliche andere mehr.
In unserer Kindheit ist diese Anpassung überlebenswichtig und es ist daher ein ausgesprochen kluger Zug unserer Psyche, dass sie uns dazu verhilft, uns so zu verhalten. Es ist eine Hilfsstrategie, eventuell sogar eine Überlebensstrategie und damit pure Lebensenergie.
Hätten wir uns unter den gegebenen Umständen mit unseren Bedürfnissen nach vorne gedrängt und versucht, diese durchzusetzen, hätte es zum Bindungsabbruch und damit zu einer existentiellen Bedrohung kommen können.
Im Kindesalter ist die Aufrechterhaltung von Bindung zu unseren Bindungspersonen immer das oberste Ziel. Das ist etwas, das vollkommen autonom passiert, weil es tief in uns verankert ist. Darum sind Kinder auch nicht in der Lage ihre Eltern oder anderweitige Bindungspersonen infrage zu stellen. Kinder suchen die Schuld stets bei sich und kreieren Muster, die für sie hilfreich und existenzsichernd sind.
Erst wenn wir auch ohne unsere Bindungspersonen überleben könnten (das ist ungefähr zum Beginn der Pubertät), beginnen wir, diese infrage zu stellen und uns von ihnen abzugrenzen. Zu diesem Zeitpunkt sind die Glaubenssysteme bereits fest installiert und uns häufig nicht bewusst.
Aus dem angepassten, braven Kind, das seine Bedürfnisse zurückstellt ist eine erwachsene Person geworden, die in Beziehungen ihre Wünsche und Bedürfnisse nicht äußern kann, häufig „Ja“ sagt, obwohl sie ein „Nein“ fühlt oder sich von Beziehungspartnern abwertend behandeln lässt.
Die einstmals überlebenswichtige Strategie der Anpassung und die dazugehörigen Glaubenssysteme machen es dieser Person heute schwer oder unmöglich, gut für sich zu sorgen. Dieses Beispiel macht deutlich, dass es für das Glaubenssystem dieser Person einen absolut guten Grund gibt. Hinter diesem System steckt die pure Lebensenergie. Und doch, ist es für sie heute nicht mehr hilfreich.
Wie können wir unseren Glaubenssystemen hilfreich begegnen?
Wir werden solange von unseren Glaubenssystemen gesteuert, bis wir sie erkennen, uns ihnen wohlwollend zuwenden und anerkennend mit ihnen arbeiten. Dann verändern und flexibilisieren sie sich Stück für Stück. Wir können wieder neue, bewusste Entscheidungen treffen, uns so verhalten, wie wir es uns von uns selbst wünschen und wieder mehr wir selbst werden.
Das Anerkennen und die wohlwollende Zuwendung sind ein Teil des Schlüssels. Wenn wir hingegen versuchen unsere Glaubenssätze und -systeme „wegzumachen“ oder durch Affirmationen zu „überschreiben“, dann werden diese Systeme häufig sehr deutlich und noch stärker. Denn es sind nicht einfach nur Angewohnheiten.
Es sind neuronale Verschaltungen, also verknüpfte Nervenbahnen im Kopf, die aus einem Grund angelegt wurden: FÜR UNSERE SICHEHEIT ZU SORGEN. Für diese Sicherheit wollen sie auch weiterhin sorgen. Wenn sie nun unterdrückt oder gelöscht werden sollen, dann wehren sie sich, denn dann ist aus ihrer Sicht die Sicherheit in Gefahr.
Durch unsere wohlwollende Zuwendung, das Anerkennen, dass sie da sind und aus einem guten Grund entstanden sind, sowie durch das wertschätzende Erforschen werden sie milder. Diese Art des Betrachtens schafft einen Raum der Möglichkeit für Veränderung und Flexibilisierung unserer Glaubenssysteme. Wenn wir dann neue Wege für uns erkennen und diese üben, entstehen neue neuronale Verbindungen. Diese sind zuerst noch zart und fragil. Sie werden mit der Dauer der Nutzung jedoch immer stärker und stabiler.
Schritt für Schritt 👣. Es ist ein Prozess. Ein Prozess zur Verbindung mit uns selbst.
Eine Verbindung, die spürbar wird durch das Fühlen von Emotionen und körperlichen Empfindungen sowie durch kognitives Verstehen.
Einladung zur Reflexion
Im nächsten Schritt werde ich dich einladen, einmal deine Glaubenssysteme zu erforschen. Es ist die Einladung, auf eine Art „Detektivreise“ zu gehen.
Solltest du ahnen oder wissen, dass es sich bei dir nicht um Glaubenssysteme handelt, die durch reine Prägungen entstanden sind, sondern um traumatische Erfahrungen, bitte ich dich ganz besonders gut hinzuspüren, ob es für dich hilfreich und sinnvoll sein könnte, dich gemeinsam mit einem Traumatherapeuten, einem traumasensiblen Coach oder einer anderweitigen Unterstützung diesen Systemen zuzuwenden, anstatt es allein zu machen.
Mir ist durchaus bewusst, dass durch das beginnende Hinwenden zu unseren Themen häufig ein großer Wunsch entsteht, dass es endlich „vorangeht“. Wir wollen dann gerne endlich große Schritte machen und nicht noch mehr „Zeit ins Land gehen“ lassen. Gerade deshalb kommt hier mein Hinweis und er kommt von Herzen:
❣️ Achte mehr als gut auf dich, auf deine innere Kapazität und deine eigenen Grenzen. Auch ohne Trauma im Lebensgebäck! Es ist so unglaublich wichtig, dass du dich erst um deine innere Stabilität kümmerst und dir erst dann deine Glaubenssysteme, Überlebensstrategien und versehrten Anteile ansiehst. Ohne dieses Fundament kann es schnell zu Retraumatisierungen und Überflutungszuständen kommen, die dich dann zurückwerfen und noch mehr Zeit kosten (die du ja eigentlich sparen wolltest).❣️
„Je langsamer du gehst, desto schneller wirst du wachsen“.
Wenn du dich ausreichend sicher fühlst und es sich jetzt gerade stimmig anfühlt, lade ich dich zu diesen Reflexionsfragen ein:
🧭 Welche Glaubenssysteme, also innere Überzeugungen kennst du aus deinem Leben?
🧭 Wenn du an diesen Satz denkst, was fühlst du dann in deinem Körper?
🧭 Welche inneren Bilder hast du dazu?
🧭 Welche Emotionen zeigen sich?
🧭 Was denkst du über diesen Satz?
🧭 Wobei hilft er dir?
🧭 Was ist sein guter Grund hier zu sein?
🧭 Was wünschst du dir von ihm?
Manchmal ist auch ein Realitätscheck zu deiner Überzeugung ganz hilfreich. Wenn du deinen notierten Satz noch einmal ansiehst – trifft er dann, ganz sachlich gesehen, zu? Tut er das immer?
Nimm dir Zeit für diese Forschungsfragen. Vielleicht magst du in der nächsten Zeit immer mal wiederholen?
Spüre diesen Fragen und deinen Antworten nach. Versuche dabei auf Bewertungen zu verzichten und ganz wohlwollend mit dir und deinem Glaubenssystem zu sein.
Wenn du magst, notiere dir deine Antworten. Hast du ein hübsches Notizheft oder ein Tagebuch? Vielleicht magst du ja auch ein Büchlein für die „Erforschung“ deiner Persönlichkeit anlegen? Dann könnte es mal dein ganz persönlicher Schatz werden 🥰.
Für die Erforschung deiner Ressourcen, im ersten Teil dieser Serie, habe ich einige Ideen aufgeschrieben, um diese Zeit mit dir selbst ganz bewusst und für dich gemütlich zu gestalten. Vielleicht magst du nochmal reinschauen?
Schwenken zu deiner Ressource
Schwenke während der Erforschung deiner Glaubenssysteme immer wieder zu deiner Ressource, zu deiner sichernden und stärkenden Kraftquelle.
Für die positive Weiterentwicklung und Veränderung deiner inneren Überzeugungen ist es nämlich unerlässlich, dass die Arbeit innerhalb des Stresstoleranzfensters geschieht. In einem Stresserleben, also in Bereichen außerhalb deines Stresstoleranzfensters, ist dein System mit dem Überleben beschäftigt und hat keinen Zugang zu, in dem Moment, untergeordneten Gedanken, Gefühlen und Sichtweisen.
Daher nochmal die dringende Bitte an dich: Beschäftige und implementiere zuerst deine Ressourcen und wende dich dann deinen belastenden Themen und Glaubenssystemen zu. Darüber hinaus fühle gut in dich hinein, ob es für dich ganz persönlich hilfreich ist, es allein zu tun oder ob es behutsamer ist, es mit Unterstützung zu tun 🥰.
Seele braucht Zeit
Du ahnst es vermutlich schon 😉 – nimm dir genügend Zeit für die Erforschung und auch für die Zeit(en) danach. Die Arbeit mit uns selbst ist anspruchsvoll und darf in guten Dosierungen erfolgen.
Sorge gut für dich 🫂.
Ich wünsche dir regulierte, hilfreiche Prozessschritte und Entwicklungen!
Alles liebe für Dich,
Deine Claudia 💜
Autorin: Claudia Süsens
https://coachingpraxis-
Hallo, ich bin Claudia, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Ganzheitlicher Coach und Karriere-Navigator-Coach.
Ich begleite dich während persönlicher und beruflicher Krisen. Achtsam, absichtsfrei und zugewandt.
Vielen Dank für Dein Interesse, ich freue mich, dass Du hier bist!